Dienstag, 24. November 2009

Drei Blondinen entern Indien




10.11-12.11.2009

Die Nacht ist extrem kurz. Wir boarden nach einem langen und spannenden Tag in Doha um 20.00 Uhr. Alle 3 kids sind zum Glück noch vor dem Start der Quatar Airways eingeschlafen. Auch wir versuchen so schnell wie möglich Schlaf zu finden, was dank der großzügigen Sitzgestaltung gut gelingt. Nach 4 Stunden Flugzeit landen wir in Cochin im Staat Kerala in Südindien. Bereits auf dem Flughafen bekommen wir einen ersten Eindruck von diesem lebhaften Land. Hier ist es 3.30 Uhr morgens früh, dennoch findet überall emsiges Treiben statt, nicht nur bei der Zoll- und Passkontrolle. Die Inder lieben offensichtlich Formulare, je Reisendem sind drei Formulare ausfüllen:
- Eines für die Einreise/Visum, unbeachtet der Tatsache, dass wir ja bereits ein Einreisevisum besitzen;
- Ein ebenso ausführliches für den Zoll
- Und – aus gegebenem Anlass - ein Weiteres bzgl. der Schweinegrippe (Swineflue)

Nachdem die Schweinegrippe Deutschland anscheinend schwer beschäftigt, kommen wir erstmalig auf unserer Reise mit ihr in Berührung. Nach Überreichung des ausgefüllten Swineflue-Formulares werden wir – medizinisch u.E. nicht 100% belegbar - auf Viren gescannt, natürlich von einem mit Mundschutz vermummten Mitarbeiter des indischen Gesundheitsamtes. Wir werden für gesund geklärt und dürfen die Gesundheitsschranke passieren. Pass- und Zollbeamte freuen sich über unsere blonden Mädchen und lassen uns schnell durch. Am Gepäckband herrscht reges Treiben, auch dort läuft alles nach Plan und wir können unsere diversen Gepäckstücke wohlbehalten und vollständig entgegen nehmen. Inzwischen sind alle drei Mädchen wieder hellwach und verfolgen gespannt vom Gepäckwagen das ungewohnte Treiben: viele Frauen in schicken, bunten Saries und Männer in ihren Lungis (Tücher, die zu Röcken gebunden sind). Gespannt betreten wir die Eingangshalle des Flughafens, um zu sehen ob unsere Online-Buchung geklappt hat. Und siehe da: Sofort kommt ein geschäftiger Inder mit einem Schild „Ariane Massmann“ auf uns zu gerannt – es gibt halt’ doch nicht so viele Weiße mit drei kleinen Kindern auf dem Flughafen. Schnell wird der PKW- ein herrlich alter typisch indischer Wagen herbei geholt, wir verstauen unser Gepäck im Kofferraum und auf dem Dach und zwängen uns in den Wagen. Los geht’s in die Nacht hinein – ins indische Abenteuer. Wir bekommen einen ersten Eindruck vom Autofahren in Indien und müssen unumwunden zugeben, die Schotterstrassen in Namibia waren Weltklasse dagegen. Auch hier kommen wir an und erreichen „Sitara Homestay“ in Fort Kochin ohne größere Verzögerung durch auf der Strasse schlafende Kühe o.ä. Inzwischen ist es ca. 6.00 Uhr morgens, wir dürfen netterweise direkt unser Zimmer beziehen, um ein wenig Schlaf nachzuholen.

Mit der online gebuchten Unterkunft haben wir Glück gehabt, denn wir sind in einem sehr netten Guesthouse mit 2 Zimmern, Fan und einem Badezimmer mit Warmwasser und europäischer Toilette gelandet. Sicherlich könnte eine Renovierung nicht schaden, aber Nicoletta und Alexia sind von der Dusche begeistert, die quasi das gesamte Badezimmer umfasst. Harry und seine Frau sind extrem nett, kinderfreundlich und besitzen eine herzliche Gastfreundschaft, die es uns erleichtert trotz der schwülen Hitze, dem ununterbrochenen Lärm und den nicht ganz europäischen „Reinheitsmassstäben“ entsprechendem Straßenbild in Indien anzukommen. Die ersten Bonuspunkte werden bereits beim Frühstück verteilt: Für die Kinder gibt’s Pancake und Toast mit Nutella. So ist zumindest fürs erste das Essenthema geklärt. Schnell steht in indisch gastfreundlicher Manier Harry, pensionierter Bankangestellter, am Tisch und legt uns seine Ideen für unsere weiteren Tage dar. Dank seiner Empfehlungen ersparen wir uns lange Recherchen im recht umfangreichen „Lonely planet“ und ruck zuck ist die erste Woche in Indien verplant. Auch die ersten charmanten indischen Verhaltensregeln werden uns klar:
1. Don’t worry. I can do it. – Man wird einfach nicht allein gelassen.
2. Die Inder sind ein geselliges Volk und es gehört sich nicht, seine Gäste alleine Essen zu lassen, sondern gerne wird Gesellschaft geleistet.

Die erste Erkundung Fort Kochin’s ist nach 5 Wochen ständiger, trockener Sonne eine gewisse Herausforderung: Es schüttet ununterbrochen, was nicht gerade die Laune unserer drei kleinen, nicht wirklich ausgeschlafenen Damen hebt. Wir sind nach ca. 5 Sek. pitsche nass, passender weise will der lokale Geldautomat die EC-Karte der Volksbank Montabaur Höhr-Grenzhausen nicht anerkennen und gibt keine Rupien aus, so müssen wir zu Fuß (weil kein Geld für Tuck-Tuck) und durchnässt zurück zu Harry. Dank des guten Kaffees und vorhandener Sprite steigt die Laune schnell, am Abend besuchen wir eine Kathakali Vorstellung im Hinterhof. Hierbei verwandeln sich enorm aufwendig geschminkte Schauspieler in phantastischen Kostümen in Götter, Helden und Dämonen. Trommler und Sänger begleiten die Schauspieler, die irgendwelche Hindu-Legenden mühsam mit ihrer Mimik und Gestik beschreiben. Wir dürfen dem aufwendigen Schminkprozedere beiwohnen. Bei der 1,5 stündigen Vorstellung schläft Antonia ein, Erik döselt, Alexia gefällt der Hindu-Pop und sie wippt im Rhythmus der Musik. Am Ende der Vorstellung stellen wir mit großer Freude fest, dass wir nicht die Einzigen sind, die sich mit drei kleinen Mädchen auf Weltreise begeben, denn wir machen Bekanntschaft mit einem französischen Ehepaar, dass ebenfalls mit seinen drei blonden Mädchen (10, 7 und 4 Jahre) für 10 Monate dem Alltag den Rücken gekehrt habt. Solche Zufälle gibt es sicherlich nicht so oft, nach nettem Gespräch und Erfahrungsaustausch verabreden wir uns für den nächsten Tag auf einen Kaffee im „Cafe Beanz“ in Fort Kochin. Beim anschließenden Abendbrot hat Harry sogar Pommes mit Ketchup für die Mädchen parat.

Am nächsten Tag ist uns das Wetter wohl gesonnen. Harry meint, der gestrige Regenschauer sei ungewöhnlich für diese Jahreszeit gewesen. Wir glauben ihm, nehmen aber trotzdem unsere Regenjacken mit und bummeln durch Fort Kochin. Wir inhalieren die diversen neuen Eindrücke dieses faszinierenden Landes. Den drei Mädchen muss der Kopf schwirren. Das Leben in Bad Homburg ist doch so anders dagegen:
- Auf der Strasse wird zur Schule bzw. zum Kindergarten gegangen, hier gibt es nur bedingt Bürgersteige, jeder geht auf der Strasse, Kühe und Ziegen laufen frei in der Stadt herum.
- Zuhause sollen sie immer ihre Schuhe anziehen, wenn sie das Haus verlassen, hier laufen viele Barfuss
- Viele Frauen tragen ihre farbenfrohe Saries auf der Strasse, so schick zieht sich Mami nur an, wenn sie zu einer Party eingeladen ist.
- Sogar die Männer tragen Röcke (Lungies, ein Tuch welches als Rock gewickelt getragen wird), das gibt’s in Bad Homburg nur zum Karneval
- Ungewohnte Gerüche, entlocken vor allem Nicoletta und Alexia ein Naserümpfen; Reis und Naan Brot schmeckt allen jedoch sehr gut.
- Hier gibt es nur Baby-Bananen, aber sie schmecken viel besser;
- Die Tuck-Tucks sehen so cool aus, warum gibt es sie nicht in Bad Homburg?

All’ dies und noch viel mehr entdecken wir bereits am ersten Vormittag in der Stadt. Wir sind uns sicher, Indien wird noch viel mehr zu bieten haben.

Die schwüle Hitze macht uns allen noch zu schaffen und so ist das Treffen im klimatisierten Cafe Beanz mit den drei Blondinen aus Frankreich eine willkommene Abwechslung. Bei einem europäischen Kaffee mit indischem Ideenreichtum angereichert sitzen wir zu zehnt am Tisch und tauschen erste Reise-Erfahrungen aus. Die Mädchen tauschen trotz Sprachbarrieren schnell Magnettafeln mit zu bastelnden Ketten und sind schnell in ihre Aktivitäten vertieft. Wir Eltern sind uns einig: eine derartige Reise ist ein unglaublich tolles Familienerlebnis, welches viel Spaß macht und die Familie herrlich zusammen schweißt.

Ein für die nächste Zeit immer wieder kehrendes Highlight ist das Tuck-Tuck fahren. Wir quetschen uns zu fünft hinter den Fahrer (geradezu großzügig, wenn man sieht wie viele Schulkinder in ein solches Gefährt passen) und holpern durch die Strassen zu unserem Sitara-Homestay zurück. Der typisch indische Fahrstil zeigt sich auch hier, offensiv wird immer und überall die Hupe gedrückt, überholt wird sowieso immer, unabhängig von den jeweiligen Sichtverhältnissen. Meistens geht es gut, dabei hilft sicher, dass das Gros der Fahrer ihre Religionszugehörigkeit deutlich zeigt. Nahezu alle Tuck-Tucks und Trucks sind in riesigen Lettern mit Slogans wie: „Transport of God“; „No Fear I’m with you“; „Jesus is with you“ oder Abbildungen der hinduistischen Götter, wie z.B. Shiva, Vishnu oder Brahma ausgestattet.

Am nächsten Tag brechen wir rechtzeitig zu unserer ersten Autotour gen Munnar auf. Ein Elefanten-Camp ist das Ziel. Wir wollen Elefanten bei der Arbeit beobachten und beim Waschen helfen. Die Strecke ist eigentlich nicht weit, aber fast überall lassen die Straßenverhältnisse und der Verkehr maximal einen Schnitt von 40 km/h zu. Heute fährt uns Sunil, ein rührender 30jähriger Inder, der die Mädels vergöttert. Besonders Antonia hat auch ihn schnell in ihr Herz geschlossen, was dazu führt, dass sie – zwischen den Vordersitzen stehend – ihm ständig ins Gesicht patscht. Auch ohne diese Sympathiebekundungen ist die Fahrt ein Abenteuer. Tuck-Tucks, LKWs, Pkws, Fahrräder, Fußgänger, immer mal wieder eine heilige Kuh oder eine Ziege dazwischen, alles bewegt sich hupend in einem unüberschaubaren, aber anscheinend doch irgendwie geordneten Wirrwarr. Der Straßenrand ist ohne Unterbrechung gesäumt von Geschäften im ländlichen indischen Stil, was da heißt, dass es eher nach einem kleinen Schuppen aussieht. Alles für den täglichen Bedarf ist zu kaufen, schlichter und ihn geringerer Vielfalt als wir es kennen. Immer wieder finden wir zwei verschiedene Sorten von Keksen (Tiger und 40:40) oder Bonbons, Pampers gibt es pro Laden immer nur eine Packung in XL und natürlich hunderte von Obstständen. Die kleinen Bananen schmecken gigantisch und auch die Gurken sind bei den Mädels hoch im Kurs. Darüber hinaus sehen wir immer wieder Haushaltswaren, d.h. Eimer in allen Größen und Farbschattierungen sind hingebungsvoll dekoriert, daneben minderwertige Mode „stylisch gemerchandised“. Das permanente Observieren von neuen Eindrücken ist anstrengend und wir sind froh, als wir beim Camp ankommen. Trotz aktivem Lonely Planet Studium tappen wir – die letzten 300m zu Fuß gehend - prompt in die erste Touristenfalle. Statt unserem Gefühl zu folgen, das die Elefanten wahrscheinlich schon am Fluss sind, folgen wir einer Gruppe Touristen, die mit Guide unterwegs sind, ganz nach dem Motto: „Der muss es ja wissen“. Nachdem wir knapp einen Kilometer durch den Matsch gestapft sind, erklärt uns ein älterer Herr, der wie bestellt auf uns wartet, dass wir in die falsche Richtung gegangen seien und begleitet uns den gleichen Weg zurück zum Fluss. Der Hinweis des Guides, dass wir diesem Inder doch bitte ein wenig Geld geben sollten für seine Hilfe, erzeugt ein Schmunzeln auf unserem Gesicht und lässt uns nicht glauben, dass der Guide den Weg nicht kannte. Wir sahen ein gutes und nicht seltenes Beispiel dafür, möglichst viele locals an den positiven Seiten des Tourismus zu beteiligen.

Da die Inder diese Art des „übers Ohr hauen“ meist mit enormem Charme machen und die kleinen Summen nicht wirklich schmerzen, können wir ihnen nicht böse sein. Wir sind uns sicher, dass dieses nicht das letzte Mal gewesen ist, dass wir der charmanten Schlitzohrigkeit der Inder erliegen. Das Elefanten-Camp ist für die Mädels nett gemacht und jeder darf bei dem stattfindenden morgendlichen waschen im Fluss die Elefantenhaut schrubben. Schnell sind von Nicoletta die Unterschiede zwischen afrikanischen und asiatischen Elefanten herausgestellt: Asiatische Elefantenkühe haben keine Stosszähne und nur eine Nasenspitze am Rüssel.

Zurück in Cochin schlendern wir am Hafen entlang, es zeigt sich die Begeisterung vieler Inder über die drei Blondinen. Immer wird den armen Mädels übers Haar gestrichen oder in die „weißen“ Wangen gezwickt, noch nehmen sie diese Begeisterungsausbrüche erstaunlich gelassen. Abendessen gibt’s in einem herrlichen indischen Open-Air Restaurant. Im Hintergrund erklingt aus dem mittlerweile dritten uns bekannten „einzigen lokalen und wirklich originalem Theater“ wieder Erik’s so „liebgewonnener“ Hindu-Pop. Kurz bevor wir gehen, ereilt uns ein Déjà-Vue: Sie sind einfach überall- unsere Freunde, die Studiosus-Reisenden, dieses Mal aus Bargteheide. Auch hier reisen sie im vollklimatisierten Minibus, werden direkt vor dem Restaurant ausgeladen und eilen zügigen Schrittes in den klimatisierten Innenraum, um nicht zuviel des natürliches Lebens mitzubekommen. Der Hindu-Pop gefällt ihnen bestimmt, ist er doch Teil der alten Kathakali Kultur...


13.-14.11.2009 Where is the difference?


Wir sitzen an einem gedeckten Tisch, rosa-weiß karierte Tischdecke, weißes Porzellan von „Bharat“ mit inzwischen leicht abblätterndem Goldrand. Die Stühle sind gut gepolstert und bequem. Im Hintergrund spielt Coldplay auf dem an die Anlage angeschlossenen Iphone. Gereicht wird guter Reis, gebratener Fisch und gewürzte Gemüsevarianten, dazu Cola, Sprite und Wasser; zum Nachtisch panierte Banane und guter Kaffee. Die Mädels essen Reis und Banane und trinken - weil heute Freitag der 13. ist - Cola und Sprite. Sie sind gut drauf. Nach dem Essen werden Hausaufgaben gemacht, anschließend spielen wir Kuh & Co., Alexia gewinnt. Antonia baut ihre Holztiere altergerecht in Reihe und Glied auf. Eigentlich ist es wie zuhause, oder doch nicht?

Wir schippern durch die Back Waters von Kerala in Südindien und sitzen auf einem sehr komfortablen Hausboot mit Bad incl. Sitztoilette, Doppelbett mit Moskitonetz und weißer Bettwäsche. Das Boot fährt gemächlich durch von Palmen gerahmte Kanäle. Weitere Hausboote kreuzen unseren Weg. Nicoletta unterstützt den vorne am Bug sitzenden Bootsführer kräftig beim regelmäßigen und ortsüblichen Hupen. Wie sollte es anderes kommen: Weltreisende treffen sich immer zweimal und so sehen wir plötzlich auf einem vorbeifahrenden Boot unsere neuen französischen Freunde mit den drei blonden Töchtern; ein kurzer Zuruf und große Freude auf beiden Seiten, natürlich werden Fotos gemacht, die mit Sicherheit via Weltreiseblog ausgetauscht werden. Darüber hinaus fahren auch hier schon wieder viele – nun junge indische - Honeymoonpaare an uns vorbei oder Boote voller junger indischer Männer, die offensichtlich ihre Kohle, die sie in Doha oder Dubai in der IT Branche verdienen, beim Wochenendtrip auf den Kopf hauen.

Es herrscht viel Leben am bzw. auf dem Fluss. Alte und junge Frauen gekleidet in ihre farbenfrohen Saries waschen Geschirr und Wäsche im wahrscheinlich nicht ganz sauberen Fluss. Kinder schwimmen und springen im Wasser herum. Kleine Häuser säumen den Fluss, manchmal recht gut in Schuss und größer, häufiger in vom stets feuchten Klima schon etwas angegriffenem Zustand. Männer sind in ihren kleinen Kähnen unterwegs, das Wasser scheint der Haupttransportweg für jegliche Lasten zu sein. Wenn ein Holzkahn schnell genug ist, bekommt er einen Lift von einem der vielen Hausboote und darf sich hinten anhängen. Man hilft sich gegenseitig, an alle wird gedacht. So gäbe es an Bord Platz genug, um alle Getränke und Fisch etc. vorab einzuladen, aber nein, wir halten auf der Strecke zweimal an, um Softdrinks und Fisch bzw. im Liquourstore um die Ecke das ortsübliche Kingfisher-Bier fürs Abendessen zu kaufen. Möglichst viele sollen vom Tourismus auf dem Wasser profitieren, was auch ok ist, da preislich fair. Einer vehement vorgeschlagenen längeren Massagebehandlung entgehen wir nur mit dem augenzwinkernden Hinweis, dass wir diese eigentlich regelmäßig gegenseitig ausführen. Sehr oft wird uns freudig und strahlend zugewinkt; die Mädchen werden vom Ufer übers Handy fotografiert. Da sie recht bald alle drei dicht an den Bootsführer gedrängt vorne am Ruder stehen, ist es auch ein tolles Bild: Ein dunkler Inder am Steuer eines alten Holzbootes mit Bambusdach eingerahmt von Alexia, Nicoletta und Antonia mit ihren blonden Haaren.

Momentan fällt uns kein besseres Bild ein, um die Vielfalt und die Unterschiede Indiens darzustellen. Farbenfroh, reich und arm, neuste Technik gepaart mit traditionellen „Waschtraditionen.“ Aber die Fröhlichkeit vereint beide Seiten und Neid untereinander scheint es nicht zu geben. Das alles ist für uns schon nach einer Woche – trotz aller Schwüle - die Faszination Indiens.

Die Nacht verbringen wir auf dem Boot und am Morgen werden wir mit Grillenzirpen und Vogelzwitschern geweckt. Wir nutzen den Besuch von Kindern am Boot dazu, unseren Kindern zu erklären, dass diese Mädchen ein anderes Leben als sie führen und sicherlich auch nicht soviel Essen, Spielzeug u.ä wie sie selbst haben. Daraufhin entscheiden Nicoletta und Alexia spontan, einige ihrer Stifte und Aufkleber an die Mädchen zu verschenken. Es ist süß zu sehen, wie beide Seite sich über diesen Austausch freuen. Gegen Mittag verlassen wir unsere romantische Enklave und Sunil kommt leicht verspätet, aber wie versprochen, um uns am vereinbarten Treffpunkt wieder einzusammeln. Wir machen noch einen Stopp an der Küste von Kerala und springen ein letztes Mal in den indischen Ozean. Im nachhinein sind wir froh, dass wir den „Abstecher“ über die Seychellen genommen haben, denn zu mindestens der Strand an dieser Küste Indiens hält dem Vergleich mit den Stränden auf den Seychellen nicht stand. Immerhin es gibt jede Menge wunderschöne Muscheln, die von unseren drei „Barby-Dolls“ – ein Ausruf den wir immer wieder von den Indern hören: „Look at the three Barby-Dolls“ mit großem Enthusiasmus gesammelt werden. Die beiden Grossen entscheiden einstimmig, dass diese schicken Muscheln an Schule und Kindergarten verschickt werden sollen.

Den Tag beschließen wir mit einem Besuch beim Friseur. Mit großer Freude werden die blonden Haare versorgt, gekämmt, geölt und frisiert. Allen dreien scheint dies sehr zu gefallen, insofern ist die Zeit, dass Ariane die Haare scheidet wohl nun endgültig vorbei. Und weil heute Tag der Kinder in Indien ist, bekommen wir diesen Friseurbesuch kostenlos und die Mädels dürfen mal wieder Pommes essen.


15.11.2009 – 24.11.2009

Es hat geklappt. Wir sitzen im Zug nach Kozhikode. Ein reges Treiben auf dem Bahnhof erzeugt bei Alexia den Ausruf: „Mami, man sind hier viele Menschen, das gibt’s doch gar nicht.“ Ein bisschen Luxus gestehen wir uns ein und nehmen die AC Variante, d.h. der Großraum Wagen ist mit Air Condition versehen und nicht ganz so überfüllt. Jeder bekommt sogar einen eigenen Sitzplatz. Sauber im europäischen Sinne kann man diesen Waggon nicht nennen. Die Mädels lässt dieses unbeeindruckt und so rattern wir gen Norden. Alle ¼ Std. eilen hektische fliegende Händler durch die Gänge und preisen rufend unterschiedliche indische Spezialitäten sowie Tee und Kaffee an. In Kozhikode erwartet uns Sunil II, um uns samt unseres recht überdimensionierten Gepäcks nach Vayam zu bringen. 4Std. Autofahrt für knapp 100km sind vorgesehen, wir sind gespannt welche Straßenverhältnisse uns erwarten. Es zeigt sich schnell: hinter der Stadtgrenze grenzt ein Schlagloch an das andere, es gilt einen recht hohen Pass zu überqueren und es sieht stark nach Regen aus. Spontan, pfiffig und hilfsbereit – so wie wir es in Indien oft erleben - organisiert Sunil II schnell eine Plane für das Gepäck auf dem Dach, beim Montagestop eilen sofort die Anwohner zur Hilfe, um uns dann bei Anblick der von einem Ausstieg nicht abzubringenden Blondinen sofort in ihr Haus zum Kaffe einladen. Leider drängt der Fahrer zum Aufbruch, daher lehnen wir heute ab. Wie in den wüstesten Vorstellungen schüttet es just bei der Passüberquerung so stark, dass wir nichts sehen, weder von der Landschaft noch von der Strasse vor uns. Die Freude am überholen ist bei der Mehrheit der Fahrer dennoch nicht getrübt, so erleben wir auch recht bald, wie sich ein in einer dem Fahrer abgewandten Kurve überholender Jeep genau zwischen 2 LKW`s verkeilt.

Nach 10 Std. Reise per Bahn und Auto kommen wir leicht gerädert im Homestay Vayam ein. Eine Familienunterkunft mit 3 Gästezimmern mitten im tropischen Wald. Die 10jährige Tochter Vayan sozialisiert umgehend mit den Mädels, sie sitzen einträchtig auf der Veranda und fertige Ketten bis zum Abendbrot. Das Abendbrot wird gemeinsam mit den weiteren Gästen, zwei junge amerikanische Paare sowie den Gastgebern eingenommen. Es wird traditionelle indische Küche aufgetischt und die Mädels ereilt ein erneuter Kulturschock. Wir essen traditionell auf Bananenblättern und mit den Fingern. Antonia kann es gar nicht glauben und verlangt vehement nach ihrem „Tee“ (Teelöffel).

Bevor wir weiterreisen, zeigt uns Vayan noch ihre Farm. Wir laufen durch Reisfelder, sehen Rubbertrees, Kaffee-, Pappelmusen-, Bananen- und Orangenbäume,. Immer wieder treffen wir auf Farmarbeiterinnen, die unseren Mädels freudig zu winken. Auf dem Rückweg kommen wir an einer Gruppe von auf dem Feld arbeitenden Frauen vorbei, die gerade eine Frühstückspause einlegen. Sie laden uns ein dazu zukommen. Wir sind umrundet von lachenden, fröhlichen Frauen, die ihr Leben lang harte Arbeit auf dem Feld gewohnt sind. Ihre interessanten, von Wind und Wetter gezeichneten Gesichtszüge zeigen ein arbeitsames, nicht einfaches Lebens. Wir genießen den Moment zwischen Palmenbäumen stehend, die Mädchen werden begeistert von Arm zu Arm weiter gereicht: Im Hintergrund die Reisfelder, für die einen lebenswichtiges Nahrungsmittel und Lebensunterhalt, für die anderen selbstverständliches Gut, welches einfach aus dem Regal bei REWE mit nach Hause genommen wird, weil man gerade mal Lust auf ein Reisgericht hat. Während wir gedanklich darüber philosophieren, wie die Frauen es schaffen, trotz der Arbeit auf dem Feld sauber auszusehen (Wir sind bereits nach 1,5 Std. Walk durch die regennassen Felder verdreckt) – werden die beiden Welten vereint durch ein klingelndes Handy, welches eine der Frauen aus ihrer Tasche zieht – moderne Kommunikation weltweit unverzichtbar.

Nach einem leckeren indischen Essen, müssen wir leider viel zu früh – gerne wären wir noch einen Tag geblieben – weiterfahren. Die Fahrt durch strömenden Regen im teilweise offenen Jeep begeistert uns alle. Der zu benutzende Highway ist eine einzige rutschige Schlammpiste, die uns durch den Nationalpark führt, so dass wir auch gleich einigen Elefanten begegnen. Trotz mehrfacher bejahter Nachfrage ob der Fahrer den Weg zu unserem nächsten Ziel kennt, landen wir im falschen Resort! Traumhaft am See gelegen, aber leider – wie wir nach einer längeren Diskussion unter ca. 20 herbeigeeilten Männern und schließlich zielführend einem kurzen Telefonat erfahren - sind wir auf der falschen Seite des Sees angekommen. Dennoch kein Grund zur Panik. Ganz nach der typischen Indermentalität „We will do it“ schickt unser Resort kurzerhand ein Boot über den See, um uns einzusammeln. Die Fahrt mit dem Auto hätten weitere 80km durch den Nationalpark bedeutet, die Fahrt mit dem Boot dauert 10 Minuten. So erreichen wir mit großer Freude unsere nächste Location, das Orange County Resort / Kabini auf dem Seeweg. Dank unseres Freundes Jochen aus London bzw. seiner soon going to be Frau Manon kommen wir zu Sonderkonditionen in den Genuss dieses Luxusresorts. Unser traumhaftes Chalet verfügt über einen eigenen Pool und bietet Blick über den weitläufigen See mit Bergen im Hintergrund. Die nächsten 4 Tage verbringen wir sehr luxuriös mit Schwimmen (es gibt sogar einen 25m breiten Pool), reiten auf dem hauseigenen Elefanten Minaksi, Boot- und Jeep-Safaries und ständigem Essen. Wie so oft sind wir die einzigen Besucher mit Kindern und schließen dadurch schnell Freundschaft mit den relevanten Mitarbeitern des Hauses. Die Safaris erlauben uns den Blick auf viel Wild, einige Elefanten und – aus dem Boot heraus – sogar auf ein Krokodil; Höhepunkt ist am nächsten Tag ein Bär, der unseren Weg kreuzt, ein Erlebnis, das sogar die Naturalists (so nennen sich die Ranger) begeistert, da sehr selten. Nur der Tiger bleibt im Dickicht, auch er wird hier ab und zu gesichtet. Wieder ein tolles Erlebnis für uns alle, derartige Tiere in freier Wildbahn erleben zu dürfen. Geradezu beschämende Großzügigkeit erleben wir bei einer kleinen Wanderung entlang der Dorfstrasse. Aus dem ersten, ca. 3qm großen aus Brettern gezimmerten Laden stürmen die Besitzer und lassen es sich nicht nehmen, den Kindern eine Packung ihrer Lieblingskekse zu schenken. 500m weiter kommen Arbeiter vom Feld und bringen uns Zuckerrohr zum probieren, weitere 800m weiter werden wir intensivst in ein Haus gebeten. Dieses natürlich annehmend, erleben wir eine herzliche halbe Stunde bei Bananen und Tee, die gesamte Familie ist um uns gescharrt, die vorhanden 3 Stühle wurden uns zugewiesen neben den Reishaufen, die im Vorraum gesiebt werden. Es wird viel gelacht, kommuniziert primär mit Händen und Füssen.

Nach 4 Tagen ziehen wir in 3 stündiger Fahrt um in das zur gleichen Gruppe gehörende Orange County Resort / Coorg, wo wir in ähnlich schönem, völlig anderen Ambiente ebenfalls einige Tage bleiben. Häuser im Tudorstil in Anlehnung an die englische Zeit, inmitten großer Kaffeeplantagen gelegen, viel Grün, auch hier fühlen wir uns sofort wohl. Der hausgemachte Kaffee lässt uns nach langer Abstinenz täglich mehrere Tassen Cappuccino in der Silence Lounge genießen. Naturtrecks unter Leitung des Chief Naturalists zeigen uns Kaffe- und Pfefferpflanzen sowie eine Vielzahl von Vögeln. Nicht nur zur Faszination der Kinder kann der Guide ca. 30 Vogelstimmen imitieren! Wir lernen viel, die Kinder zeigen ihre Erfahrung in Sachen Natur und Wandern deutlich ggü. den indischen Städtern jeden Alters. Unsere Feldbergwanderungen waren anscheinend die richtige Vorbereitung. Auch hier zeigt sich, dass man vieles jenseits der ausgetretenen (Touristen-)Pfade erlebt. Der Spaziergang am Fluss entlang bringt uns in ein kleines Dorf, wo wir gleich mal mit der lokalen Fähre, einem sog. Coracle, einer Art großer Nussschale hin und her über den Fluss gesetzt werden. Das Schauspiel zieht wie üblich diverse Bewohner des Dorfes an und erfreut uns alle.

Die Kinder kommunizieren international besser und besser, die typischen 3 Standardfragen eines Inders können sowohl Nicoletta als auch Alexia fließend beantworten: What’s your name? Where are you from? First time India? Antonia beschränkt sich sprachlich nach wie vor auf das ihr wichtig Erscheinende: „mehr boiled egg“, „monkey“ und insbesondere bei Safaris zur Freude des interessierten Mitfahrer dem lautstarken Ausruf „babys“, wenn alle gebannt und still das vorbeiziehende Rudel Tiere beobachten. Weiterhin hat sie die wahren Zusammenhänge erkannt, bei erscheinen eines Tieres heißt es nicht mehr „Tier da“ sondern „Papi Photo“. Nicht nur Kindern bringt Nicoletta im Gespräch auch gerne Deutsch bei, „Lion in Germany Löwe“ ist dabei führend. Einzig Ariane erlebt einen kleinen kulturellen Rückschlag in diesen Tagen. Seit 2 Wochen versucht sie dem Rest der Familie ihren Wunsch nahezubringen, eine Nacht in dem nahe gelegenen Kloster der Exil-Tibeter zu verbringen, das sei doch nun wirklich ursprünglich und passend für eine solche Reise. Der vorab stattfindende Halbtagesausflug endet jedoch eher ernüchternd: neben uns sind noch ca. 500 weitere Besucher dort, insbesondere mehrere Schulklassen aus Bengaluro. Diese zeigen spontan wenig Interesse an dem berühmten Tempel, sondern stürzen allesamt auf unsere Mädchen zu, um diese fröhlich ins Gesicht zu kneifen. Ab der 47 Beantwortung der Frage nach Namen, Herkunft und Alter haben sie die Faxen dicke und wir verlassen etwas fluchtartig, ein Schutzschild um die Kinder formend, das Gebäude. Der Innenhof des romantischen tibetischen Klosters erinnert an eine Mischung aus älterer Grundschule und Kaserne, die Kinder finden kein Klo. Es bleibt bei dem Halbtagesausflug.

Schweren Herzens und nach langen Abschiedsprozeduren ziehen weiter nach Mysore. Einer nach Aussage unseres Fahrers einer sehr kleinen Stadt mit „nur“ 1,1 Mio Einwohnern.




Harry und seine Frau - Sitara Homestay















































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